Freie Wohlfahrtspflege NRW warnt: OGS-Betrieb in vielen Kommunen ab 01.08.2024 gefährdet
14.05.2024
Die Finanzsituation der OGS-Träger in NRW ist mit Blick auf das kommende Schuljahr so schlecht wie nie zuvor. Denn trotz der zuletzt ausgehandelten außerordentlich hohen Tarifsteigerungen (ver.di ermittelte eine Tarifsteigerung um durchschnittlich 11,5 Prozent) hat die Landesregierung NRW alle Bitten um eine entsprechende Anpassung der Landesförderung für Offene Ganztagsschulen ignoriert und an der seit Jahren üblichen Erhöhung um 3 Prozent im Haushaltsjahr 2024 festgehalten.
Förderung vom Land reicht längst nicht aus
Nach neuen Berechnungen der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW, der auch der Paritätische NRW angehört, ist die Fortführung der Offenen Ganztagsschulen in vielen Kommunen zum 01.08.2024 unmittelbar gefährdet. In ihrem Positionspapier zur Finanzierung Offener Ganztagsschulen im Primarbereich ermittelt die Freie Wohlfahrtspflege NRW auf der Grundlage des TVöD erforderliche Kosten in Höhe von rund 128.000 Euro pro OGS-Gruppe und Jahr. Die landesseitige Förderung (inkl. kommunaler Pflichtanteil) beträgt aber nur rund 50.000 Euro, also gerade einmal 39 Prozent der eigentlich erforderlichen Mittel (Berechnungsgrundlage: siehe unten).
Personalausstattung gemäß der verfügbaren Mittel
Welche Personalausstattung nach TVöD in einer OGS-Gruppe ab dem 01.08.2024 möglich wäre, wenn die Kommune auf eine freiwillige zusätzliche Förderung verzichtet und somit nur die rund 50.000 Euro pro Gruppe und Jahr zur Verfügung stünden, macht die folgende Tabelle deutlich:
12 Wochen-Stunden Fachkraft: 21.612 Euro
10 Wochen-Stunden Ergänzungskraft: 14.774 Euro
6 Wochen-Stunden. Küchenkraft: 7.180 Euro
1 Wochen-Stunde Leitungsfreistellung: 1.890 Euro
0,2 Wochen-Stunde Fachberatung: 401,00 Euro
Sachkosten: 1.500 Euro
Pauschale für Drittanbieter: 1.600 Euro
Overhead (3 %): 1.543 Euro
Gesamt: 50.000 Euro
Kein OGS-Betrieb auf dieser Grundlage möglich
„Jeder, der die Praxis Offener Ganztagsschulen kennt, wird unmittelbar erkennen, dass auf dieser Grundlage ein OGS-Betrieb nicht umsetzbar ist“, betont Tim Rietzke für die Freie Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen und macht deutlich: „Selbst bei einer realitätsfernen Kalkulation der Overheadkosten von nur 3 % wären mit der landesseitig vorgegebenen Pauschale lediglich 12 Fachkraftstunden und weitere 16 Stunden für Ergänzungs- und Küchenkräfte finanzierbar und dies bei mindestens 20 Stunden wöchentlicher Betreuungszeit (täglich von 12 bis 16 Uhr).“
„Die Landesregierung nimmt insgesamt in Kauf, dass Mitarbeitende, die Grundschulkinder am Nachmittag fördern und betreuen, über keine pädagogische Ausbildung verfügen und keine tarifliche Bezahlung erhalten“, mahnt Rietzke. Denn die von der Landesregierung jüngst veröffentlichten „Fachlichen Grundlagen“ für Offene Ganztagsschulen in NRW verzichten vollständig auf die Festlegung personeller Mindeststandards.
Nicht alle Kommunen können die Finanzlücken auffangen
Um die Finanznot abzumildern und ein Mindestmaß an Fachkraftstunden in Offenen Ganztagsschulen zu gewährleisten, haben die Kommunen in der Vergangenheit neben ihrem Pflichtanteil zum Teil erhebliche freiwillige Zusatzbeiträge an die OGS-Träger ausgezahlt. Aber auch die Kommunen geraten zunehmend unter finanziellen Druck und manche können den OGS-Trägern nicht zusichern, die im kommenden Schuljahr entstehenden Finanzlücken aufzufangen.
Sparmaßnahmen führen vor Ort zu Qualitätsverlust
Vielerorts wurden aufgrund der aktuellen Finanzlage bereits Maßnahmen in Offenen Ganztagsschulen umgesetzt, die mit einem erheblichen Qualitätsverlust verbunden sind: Im Rahmen der Ferienbetreuung finden keine Ausflüge mehr statt, Randzeitenbetreuungen werden ersatzlos gestrichen, die Kooperationen mit Drittanbietern wie Sportvereinen oder Musikschulen werden aufgekündigt, um wenigstens beim Stammpersonal keine Kürzungen vornehmen zu müssen. Zum nächsten Schuljahr werden in finanzschwachen Kommunen darüber hinaus nun erstmals auch die Kernbetreuungszeiten gefährdet sein, bis hin zur Schließung ganzer Gruppen oder der Aufgabe des gesamten OGS-Betriebes durch einen Träger.
Forderung an die Landesregierung
Vor diesem Hintergrund fordert die Freie Wohlfahrtspflege NRW die Landesregierung dringend auf, in der anstehenden Haushaltsplanung für 2025 eine Erhöhung des Zuschusses um mindestens 11,5 % pro Kind und Jahr vorzunehmen!
Hintergrundinformationen: Berechnungsgrundlage für den Finanzbedarf einer Offenen Ganztagsschule
Zur Ermittlung einer angemessenen Finanzierung für eine OGS-Gruppe mit 25 Kindern pro Jahr werden im Positionspapier der Freien Wohlfahrtspflege NRW zur Finanzierung der Offenen Ganztagsschule die folgenden Berechnungsgrundlagen angelegt: eine Fachkraft mit 30, eine Ergänzungskraft mit 25 und Küchenpersonal mit 10 Wochenstunden, zusätzlich 5 Wochenstunden für die Leitungsfreistellung und 0,5 Wochenstunden für eine Fachberatung. Hinzu kommt eine Sachkostenpauschale in Höhe von 1.500 Euro, eine Pauschale für Drittanbieter mit 1.600 Euro und 10 Prozent Overhead auf die Gesamtkosten.
Auf Basis des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD – Sozial- und Erziehungsdienst) ergäben sich auf dieser Grundlage jährliche Kosten von 128.135 Euro pro Gruppe und Jahr. Dies entspricht Kosten von 5.125 Euro pro Kind und Jahr. Die Pauschale pro Kind/Jahr (bestehend aus der Landeszuweisung, 0,1 kapitalisierter Lehrerstelle und dem kommunalen Pflichtanteil) beträgt ab dem 01.08.2024 aber nur 2.002 Euro, für 25 Kinder dementsprechend 50.050 Euro. Hieraus ergibt sich ein Fehlbetrag in Höhe von 78.085 Euro pro Gruppe und Jahr, d.h. die vom Land vorgegebene Pauschale beträgt nur rund 39 Prozent des ermittelten Bedarfes.